Unseren zweiten Aufenthalt in Bariloche nutzten wir vorrangig, um einige Dinge zu regeln, zu Organisieren, zu Planen und zum Entspannen nach und vor den anstehenden Reisetagen. Auf Grund des weiterhin sensationellen Wetters gerieten vor allem die vielen kleine, öffentlichen Strände am Nahuel Huapi See in unseren Fokus. Sei es zum gechillten Frühstück in der Morgensonne am Playa Perito Moreno, der nur 10 min zu Fuß von unseren Cabanas entfernt war, oder zu einem abendlichen Bier an der sandigen Bahia Serena oder am Playa Bonita. Unsere Hütte bei Vanessa lag zwar nur einen Block von der Hauptstraße am See entfernt, geschützt von den Bäumen in einem kleinen Wald, bekam man vom Lärm der Straße jedoch nichts mit und so waren sie unsere kleine Oase der Ruhe und Entspannung nach einem Tag in der City. Selbstverständlich ließen wir es uns nicht entgehen, bei dem hervorragenden Wetter, das ein oder andere weitere touristische Highlight in Angriff zu nehmen. So machten wir uns z.B. auf den Weg hoch zum Cerro Campanario, von dem aus man den wohl schönsten Ausblick auf die umliegenden Seen und alle Gipfel der Umgebung hat. Auch die Halbinsel San Pedro erkundeten wir und beobachteten die Sonne, nach einer Siesta, an einem ihrer abgelegenen Strände beim Untergehen. Auch kulinarisch waren wir weiterhin am Ausprobieren: die kleine aber sehr authentische Cervezería Gilbert mit ihren hervorragenden Burgern, das typisch patagonische Restaurant Mallin mit seinem unschlagbaren langsam geschmorten Lamm und seinem leckeren Gulasch mit Spätzle und die traditionsreiche Cervezería Kunstmann, traumhaft am Strand mit Blick auf den See gelegen, standen auf unserer Liste. Ebenso statteten wir der größten und bekanntesten Schokoladen-Manufaktur Bariloches einen Besuch ab und warteten gerne eine knappe halbe Stunde im „Rapanui“ auf ein unschlagbares Schokoladen-Eis. Zwischendurch wurden zuhause aber auch frische Ravioli a La Napoli zubereitet - mit einer Flasche Malbec und einem aonschließenden Chin-Chon Kartenspiel eine gemütliche Alternative. Als unsere Akkus wieder aufgeladen waren und die Gaucha nach einem Besuch und einigen Tipps von Oscar, unserem sympathischen Land Rover Spezialisten in Bariloche, mit Antifrostschutzmittel und neu versiegelten Fensterdichtungen, ready für die anstehende lange Reise in den Süden Patagoniens war, ging es wieder auf die legendäre Ruta 40 - ab sofort immer in Richtung Süden.
Am ersten Tag standen 350 km bis nach Esquel an, dass wir vor zwei Wochen schon besucht hatten. So brachen wir nach den letzten Calls mit Familie und Freunden voll gepackt bereits morgens los, allerdings mit Badehose und Bikini an, denn auf der Strecke wartete ein echtes Highlight: Rafting auf dem traumhaften Fluss Rio Manso! Marina kannte die von vier Freunden betriebene Agentur noch aus vergangenen Tagen und die Jungs organisieren kurzerhand zwei Plätze für uns. So erreichten wir nach einer guten Stunde über die Schotterpiste die mitten im Nirgendwo gelegene Estancia von John. Mit uns kamen die Jungs mit den anderen 20 Teilnehmern an und es wurde erstmal ein kleines Frühstück serviert. Nach einem Kennenlernen und den ersten Einweisungen, wurde die Neopren-Ausrüstung verteilt und los ging es mit den Sprintern hinunter zum Fluss. Der Rio Manso entspringt am Cerro Tronador, dem höchsten Berg der Region, kreuzt quer durch Chile, bis er schließlich im Pazifik mündet. Wir würden ihn auf seinen letzten Kilometern bis unmittelbar zur chilenischen Grenze in unseren Schlauchbooten versuchen zu bezwingen. Aufgeteilt in drei Boote, jeweils mit einem Kapitän an Bord und einem Begleiter im Kajak im Wasser, ging es los. Wir waren im Team von Kapitän Martin, gemeinsam mit einem Paar aus Uruguay und vier Diplomaten von der Deutschen, Österreichischen und Chilenischen Botschaft – wie sich herausstellen sollte, einem super Team. Im ruhigeren Teil des Flusses, ganz zu Beginn, übten wir zunächst die wichtigsten Kommandos ausführlich: vorwärts, rückwärts, Stopp, alle ins Boot rein, komplettes Gewicht nach links bzw. rechts. Gleichzeitig bekamen wir ausführlich gezeigt und demonstriert, wie wir uns zu verhalten hatten, wenn jemand über Bord ging. In Abhängigkeit von der Wassertiefe war flussabwärts treiben lassen oder zum Boot schwimmen angesagt und auch der Worst Case, wenn sich das ganze Boot wendet und jemand darunter eingeschlossen wäre, wurde besprochen. Phu bei so vielen Anweisungen bekommt man schon Respekt vor der Aufgabe! Lange Zeit zum Nachdenken gab es zum Glück nicht, denn schon warteten die ersten Stromschnellen auf uns. Christian und der Uruguayer hatten Plätze in den beiden vordersten Reihen unseres Bootes und mussten damit Martins Kommandos von hinten als erste umsetzen - die anderen folgten dann unserem Rhythmus. Ein tolles Gefühl, wenn man die ersten schnellen Passagen ohne Probleme meistert. Jede erfolgreich überstandene Stromschnelle wurde mit unserem Schlachtruf gefeiert und Martin bereitete uns jeweils ausführlich auf die kommenden vor. So ging es für gut zwei Stunden durch zahlreiche mehr und weniger wilden Stromschnellen der Stufe 3 bis 4. Ein paar Mal wurde es gefühlt eng, ab und zu wurde das ganze Boot geflutet und in einigen wenigen Momenten dachte man, das war’s jetzt. Doch letztlich meisterten wir den gesamten Flussabschnitt souverän. Ab und zu war dann Baden angesagt und alle gingen freiwillig für ein kühles Bad über Bord und ließen sich eine Weile flussabwärts treiben. Vor der Traumkulisse des Rio Manso mitten in der Natur einfach sensationell. Die anderen Boote hatten zwar zwischendurch ein paar Mann über Bord Fälle, letztlich kamen aber alle mit nur wenigen Schrammen an der Grenze zu Chile an. Hier hieß es dann raus aus dem Wasser und den Neoprenanzügen und da die eigentlich geschlossene Grenze lediglich aus einem Holzgatter bestand, überquerten wir sie für ein Foto. Gedanken zur weiteren illegalen Einreise wurden mit dem Hinweis, dass ein dreitägiger Fußmarsch über die Anden bis zum nächsten Dorf wartete, zunichte gemacht. Stattdessen wartete ein sagenhaftes Asado auf Johns Estancia auf uns – eine hervorragende Alternative. Bei leckerem Fleisch, Salaten, Brot und Bier wurden die Erlebnisse aufgearbeitet und alle waren geschafft aber total happy. Dann hieß es Abschied nehmen, denn für uns ging es noch gut dreieinhalb Stunden zurück auf die Ruta 40, in die Abenddämmerung hinein bis nach Esquel. Hier erwarteten sie uns schon auf einem Campingplatz vor den Toren der Stadt, wo wir unser Zelt aufschlugen, schnell etwas einkaufen gingen, heiß duschten und tot müde ins Zelt fielen – was ein super Tag!
Die nächsten drei Tage verbrachten wir „on the road“ und genossen die atemberaubende Ruta 40 in Richtung Süden mit ihren spektakulären Landschaften und vielen herzlichen Begegnungen. Besonders herzlich ging es gleich am nächsten Morgen los, als uns die Hündin vom Campingplatz ausgiebig begrüßte und uns mit all ihrer Liebe und ihren Zärtlichkeiten überschüttete. Nach all den Emotionen, ging es ab auf die Straße, nachdem wir in Esquel noch tankten, Geld abhoben und einkauften. 540 km warteten auf uns, bis Perito Moreno, unserem heutigen Tagesziel. Das Wetter war famos und so düsten wir bei entspannten 90 km/h mit Mate und gechillter Musik bei herunter gelassenen Fenstern gen Süden. Dass wir in der patagonischen Steppe unterwegs waren, war nicht zu übersehen, denn die Landschaft hier glich einer Wüste. Sandige und steinige Canyons kamen und gingen und manchmal führte die Straße einfach nur kerzengerade ins Nirgendwo. Die wenigen entgegenkommenden Autos und LKWs waren echte Highlights und jeder einzelne wurde mit Lichthupe und freundlichem Winken begrüßt. Ab und zu hielten wir an, um Fotos zu machen, doch der starke Wind bließ uns immer schnell wieder in die Gaucha, der unsere improvisierte Fensterversiegelung in Bariloche offenbar sehr gut tat, denn wir schleppten deutlich weniger Staub mit, als zuvor. Insgesamt kam die Gaucha hervorragend mit den Bedingungen zurecht und sie machte den Eindruck, dass sie die lange Reise ebenfalls sichtlich genoss. Auf halber Strecke war die einzige Raststation, doch unsere Hoffnungen auf ein leckeres Mittagessen waren leider umsonst, den wir kamen zu spät und in der Küche der Hausherrin war bereits alles aufgegessen. Zum Glück hatten wir genügend Proviant dabei, so dass wir kurzerhand im Schatten vesperten. Danach ging es weiter und fortan wurden wir von wilden Guanacas und ab und zu auch von Choiques (patagonischer Strauß) rechts und links der Ruta, sowie von riesigen Condoren über uns begleitet. Nach fast 8 Stunden Fahrt gestalteten sich die Dinge im kleinen Dorf Perito Moreno anders als gedacht, denn die anvisierten Campingplätze waren zu unserer Überraschung leider geschlossen. Doch zum Glück haben wir schnell eine hervorragende Alternative gefunden: Raul's Minicamping! Raul ist stolzer Opa von 14 Enkeln, lebt aber alleine in seinem Haus und um ab und zu Gesellschaft zu haben, hat er seinen Garten in einen kleinen aber exklusiven Campingplatz umfunktioniert. Wir parkten die Gaucha in seinem Vorgarten und bauten unser Zelt windgeschützt hinter ihr auf, bevor wir hungrig ins einzige offene Restaurant des Dorfs aufbrachen und leckere Kürbissuppe bestellten. Außer uns war ein Paar aus Belgien und eine argentinische Familie bei Raul zu Gast, die nach unserer Rückkehr alle schon schliefen. So duschten wir leise und verkrochen uns müde von der langen Reise in unser Zelt.
Sie hatten uns am Vortag bereits gewarnt und um 08.00 Uhr morgens rollten die Belgier mit ihrem typisch amerikanischen Camper laut dröhnend an unserem Zelt vorbei, auf dem Weg zur Werkstatt. Spätestens jetzt waren alle wach und wir frühstückten mit der argentinischen Familie in der Sonne. Jedoch vermissten wir Raul, der uns am Vortag noch heißen Kaffee in seiner Küche angeboten hatte und der offenbar die Gesellschaft liebt, denn er erzählte uns in einer Stunde fast sein ganzes Leben ohne Pause und hatte anschließend gefühlte 1000 Fragen zu uns und zu Deutschland und zu allem. Wie sich herausstellte, war er zum Impfen beim Arzt und kam total besorgt um uns zurück. Sofort gab es heißes Wasser für den Mate-Tee und wir bekamen so gut wie alle Fotos seiner Familie zu sehen. Auch wenn wir gerne noch den ganzen Vormittag mit Raul verbracht hätten, mussten wir nach dem Frühstück weiter. So verabschiedeten wir uns von ihm und nahmen die anstehenden 360 km bis zum nächsten Dorf auf unserer Route, Gobernador Gregores, in Angriff. Im Gegensatz zum Vortag bestand die Straße heute zu großen Teilen aus Schotterpiste. Für die Gaucha zwar kein Problem, jedoch wird man doch ganzschön durchgeschüttelt und der Zeitplan muss natürlich angepasst werden. Nach knapp einer Stunde sahen wir plötzlich ein Schild mit dem Hinweis „Cueva de las manos“ (Höhle der Hände) und da fiel uns wieder ein, dass die argentinische Familie davon berichtet hatte. Ohne Internet und ohne Empfang, waren wir auf den guten alten Reiseführer angewiesen, den wir zum Glück dabei hatten, um an weitere Informationen zu gelangen. Ein UNESCO Weltkulturerbe nur 50 km Schotterpiste entfernt? Auf ging es! Die Piste war in einem wirklich üblen Zustand und führte durch einen Canyon mit bedrohlichen Anstiegen und Abfahrten, aber der Gaucha scheint genau dieses Terrain besonders gut zu gefallen. Nach einer Stunde blickten wir in ein grünes Flusstal hinab, wo sich die kleine Estancia mit dem Eingang zu den Höhlen befand. Eine super sachkundige einheimische Führerin nahm uns mit auf den Fußweg am Fels entlang und mit ihr tauchten wir ein in die Welt vor vielen 1000 Jahren. Überraschend gut erhaltene Abdrücke zahlreicher menschlicher Hände säumten die Felswände. Sie reichen bis in die Zeit um 7370 vor Christus zurück und zeigten auch Guanacos, Jagdszenen sowie gottähnliche Figuren der Menschen aus dieser Zeit. Total beeindruckend und unglaublich, wie gut die Malereien erhalten waren. Die verwendeten Materialien, der Schutz vor Sonne und Regen und vor allem der Schutz vor dem Zugang vor Tieren und Plünderer durch die Parkwächter haben dazu beigetragen, dass man dieses Werk heute noch bewundern kann. Unsere Führerin wies uns auf zahlreiche Details hin, so waren fast alle Hände links, nur sehr wenige rechte Hände konnten wir entdecken, was wohl einfach der Praktikabilität bei der Anfertigung geschuldet war. Einige wenige Hände hatten zudem sechs Finger, einem seltenen Gendefekt, der heutzutage direkt nach der Geburt korrigiert wird. Geflasht von den beeindruckenden Malereien und verzaubert von der Welt vor 9000 Jahren machten wir uns mit der Gaucha zurück auf die Ruta 40 und folgten ihr ab sofort wieder asphaltiert. An einem kleinen Hostel stoppten wir für leckere Milanesas und an einer Raststation gab es heißen Kaffee, bis wir unser heutiges Ziel erreichten. Aus den Erfahrungen vom Vortag hatten wir gelernt und dieses Mal unser Kommen vorab angekündigt. So schlugen wir unser Zelt auf dem Rasen eines Hostels mit dem legendären Namen „arrgelate como puedas“, was soviel bedeutet wie, übernachte wie du kannst. Wir hatten einige Mühe, unser Zelt sicher aufzubauen, da der Wind hier wirklich enorm stark übers Land bließ und so hofften wir, dass es die Nacht überleben würde. Außer uns waren noch drei argentinische Motorradfahrer im Hostel, die ebenfalls vom Winde verweht Rast machten. Als wir Ihnen anboten, etwas vom Supermarkt mitzubringen, luden sie uns kurzerhand zum Abendessen ein und zauberten einen leckeren Eintopf. Bei einigen Cervecas und Vino erzählten wir uns gegenseitig die besten Geschichten unserer sehr unterschiedlichen Reisen, bis wir uns auf den Weg ins Zelt und in eine windige, unruhige Nacht machten.
Die Nacht war kurz, unser Zelt hielt dem tosenden Wind zwar zum Glück Stand, doch um 5 Uhr morgens waren wir bereits wach und hörten die Biker ihre Maschinen starten. Sie nutzen die frühen Morgenstunden, in denen der Wind nachließ und auch wir nutzen sie zum Frühstücken im Freien. Voller Vorfreude, dass wir nach vier Reisetagen El Chaltén, das Outdoorsport-Dorf im Nationalpark „Los Glaciares“ direkt am südpatagonischen Eisfeld, endlich erreichen würden, packten wir alles zusammen und brachen so früh auf, wie noch nie auf unserer Reise. Leider spielte das Wetter heute nicht mehr mit und so gesellte sich zum Wind auch noch ein peitschender Regen, na super! Aber wir waren ja eben in Patagonien und machten das beste aus dem Regenwetter: Kilometer gen Süden. Die Pinkelpausen gestalteten sich im Schlamm interessant und wir waren heilfroh, als wir eine kleine Tankstelle fanden, die tatsächlich offen hatte, waren doch alle anderen Rastmöglichkeiten heute seltsamerweise geschlossen. Wir waren nicht die einzigen, die in der kleinen Tankstelle Unterschlupf suchten und zu Mittag aßen. Ein regionaler Feiertag war der Grund, warum die Straßen und Cafes menschenleer waren, wie wir erfuhren, und so machten wir uns einsam auf die restlichen Kilometer. Als ob wir unser Kommen angekündigt hätten, öffnete sich die Wolkendecke auf den letzten Kilometern und wir rollten unter blauem Himmel und bei strahlendem Sonnenschein in El Chaltén ein: eine grandiose Kulisse und ein Traumstart in die kommende Woche in den Bergen!
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