Montag, 01. November 2021 – Der perfekte Tag, um unser großes Abenteuer zu starten. Leider nahm uns der Himmel unsere Abreise wohl übel, denn nach einer Hitzewoche regnete es natürlich pünktlich zu unserer Abreise das erste Mal. Nachdem der ganze Sonntag, neben den Nachwirkungen unserer kleinen Abschiedsparty, dafür genutzt wurde, zu packen, alles vorzubereiten und letzte Dinge zu erledigen, ging es am Montag früh los. Von Lucía haben wir uns daher schon am Vorabend innig verabschiedet, Papa Ricardo drückte uns nochmal fest, bevor er zur Arbeit aufbrach und Mama Marta bereitete uns noch ein letztes leckeres Porridge zur Stärkung zu - dann ging es endlich los! Was ein Gefühl, mit unserer bestens präparierten Gaucha aus der Garage zu rollen und unsere lange Reise von Quilmes aus gen Süden zu starten – eine Mischung aus Vorfreude, Abenteuerlust, Freiheit und Hoffnung, dass alles klappt und gut geht =) Unser erster Stopp führte uns allerdings ein letztes Mal zunächst mitten ins Zentrum von Buenos Aires, zur Einwanderungsbehörde „Migraciónes“. Christians Visum lief nach drei Monaten aus und das Ziel war es, dieses für weitere drei Monate zu verlängern. In unseren Plänen sind wir immer davon ausgegangen, dass das schon klappt – einen Plan B gab es nicht. Da wir vor einigen Wochen bereits schon mal vor Ort vorgefühlt hatten, wussten wir was auf uns zukommt: ein Gewusel an Menschen, die in sechs verschiedenen Gebäuden und unzähligen Büros und Schaltern jegliche Anträge und Anfragen bearbeiten. Beim letzten Besuch wurde uns versichert, dass das Visum kurz vor Ablauf problemlos verlängert werden kann und genauso war es auch. Nach knappen zwei Stunden hatten wir das neue Visum in der Tasche und jetzt konnte es wirklich los gehen. Im morgendlichen Regenschauer ging es zunächst nochmal über die Autobahn von Buenos Aires, bis wir auf die Ruta 3 einbogen, die hier beginnt und bis nach Ushuaia, der südlichsten Stadt Argentiniens, führt. Vamos al Sur! 360 Kilometer standen heute zum Start auf dem Programm. Die „Rutas“ sind in der Regel einspurige Landstraßen, deren Zustand zum Teil stark variiert. Die größte Gefahr sind die vielen großen und kleinen LKWs, die auf den Rutas zuhause sind und die natürlich ständig überholt werden müssen, wenn sie es nicht gerade gegenseitig tun. Selbstverständlich gab es auf dem ersten Teil am Montagmorgen ordentlich Verkehr, mit jedem Kilometer außerhalb von Buenos Aires wurde dieser aber weniger und schon nach kurzer Zeit hatten wir die Großstadt verlassen und durquerten entlang der Ruta 3 immer kleinere Ortschaften und Dörfer. Mit ausreichend Mate-Tee ausgerüstet, ließen wir es sehr gechillt angehen, zumal unsere Reisegeschwindigkeit mit der Gaucha bei ca. 90 km/h liegt – tranquilo, tranquilo und genießen statt hetzen ist also angesagt. Es regnete mal stärker und mal schwächer und nach ungefähr der Hälfte der Strecke legten wir einen ersten Stopp zur Mittagspause ein, bei dem wir uns Martas Schnitzel-Brötchen schmecken ließen und uns wehmütig bewusst wurde, dass unser exklusiver Essens-Service von ihr damit endete und wir uns ab sofort selbst versorgen mussten. Gesagt, getan und so kauften wir in einem Almacén (Kiosk) gleich noch etwas Proviant für die weitere Fahrt ein. Als wir auf den letzten knapp 100 Kilometern, die große und vielbefahrene Ruta 3 verließen und auf die kleinere Ruta 30 einbogen, war es dann soweit: Wir wechselten das Steuer und Marina legte ihre ersten Kilometer auf einer Ruta mit der Gaucha zurück. Zumal es ihre ersten überhaupt auf einer Ruta waren! Während unseren drei Monaten in Buenos Aires, absolvierte sie fleißig Fahrstunden und das mitten im Verkehrschaos von Buenos Aires. Rechtzeitig vor unserer Abreise legte sie dann ihre Fahrprüfung erfolgreich ab und war damit ready for la gaucha! Da die praktische Prüfung „nur“ aus Einparken bestand, war also learning by doing angesagt =)
Tandil, unser erstes Ziel, ist ein kleines Städtchen im Zentrum der Provinz Buenos Aires, umgeben von viel Natur und einigen grünen Hügeln. Es ist, neben seiner schönen weiten Landschaft, bekannt für selbstgemachte Salami und Käse. Mit unserer Ankunft nach ca. 5 Stunden auf der Ruta 3 hörte es pünktlich auf zu Regnen und wir liefen in unseren ersten Campingplatz „direkt am kleinen See von Tandil ein. Bis auf ein paar Zelte waren wir die einzigen Gäste, parkten die Gaucha geschützt unter einem Baum und machten uns direkt auf, zu einem Spaziergang auf einen der Hügel. Doch wir hatten die Rechnung ohne die Hündin des Campingplatzes gemacht. Sie wollte natürlich erstmal ausgiebig begrüßt werden und uns fast nicht mehr gehen lassen. Schließlich waren wir aber doch erfolgreich und haben den heiligen Christo, der auf einem der vielen Hügel über Tandil drohnt, bestiegen. Danach ging es im Regen und in treuer Begleitung einer weiteren Hündin, zurück und mit der Gaucha in eine urige „Pulperia“ (Kneipe), in der wir uns am Ofen erstmal aufwärmten, unsere Klamotten trockneten und einen leckeren heißen Eintopf bestellten. Unsere Hoffnung, dass wir unser Schlafgemach im Trockenen herrichten konnten, erfüllten sich leider nicht wirklich. So duschten wir leider nur lauwarm und verzogen uns in die erste Nacht in unsere Gaucha, in der wir überraschenderweise trotz Dauerregen bis 8 Uhr am nächsten Morgen schliefen. Am zweiten Tag gingen wir es morgens zunächst gemütlich an, bis wir uns wieder auf der Ruta 3 befanden und diese heute gut 360 km weiter gen Süden bereisten. Mit größerer Entfernung zu Buenos Aires, wurde der Verkehr immer weniger und so waren wir zum Teil kilometerweit alleine unterwegs. Im Gegensatz zum Vortag schien heute den ganzen Tag über die Sonne und der Fahrtwind blies angenehm durch die geöffneten Fenster. Unser Ziel war ein beschaulicher Campingplatz im Wald mit Zugang zum Strand, ein gutes Stück vor der Industriestadt Bahia Blanca, ganz im Süden der Provinz Buenos Aires, entfernt. Erneut waren wir ganz alleine, so dass uns die Besitzerin anbot, gegen später bei ihr vorbei zuschauen und gemeinsam mit Freunden am Lagerfeuer zu sitzen. Wir suchten uns den schönsten Platz vom ganzen Campingplatz aus und verzogen uns erstmal mit Salami und Käse aus Tandil und kühlen Cervezas an den Strand. Der raue Wind machte das kühle Bad im wellenreichen Meer erst dann unangenehm, als es aus dem Wasser raus ging. Doch die Sonne trocknete uns schnell und einer diesmal fast kalten Dusche auf dem Campingplatz folgte unser eigenes Lagerfeuer. Für die Einladung der Besitzerin waren wir definitiv zu müde und schafften es gerade noch, unser Zelt aufzubauen, ehe wir darin todmüde einschliefen.
Auch in unserem schmucken Zelt schliefen wir super und ließen es uns nicht nehmen, am nächsten Morgen schon früh an den Strand aufzubrechen – diesmal mit der Gaucha. Da wir heut einen langen Tag auf der Piste vor uns hatten und die Temperaturen schon morgens in die Höhe schossen, blieb es bei einem kurzen Besuch am Strand – lange werden wir ja nicht auf ein Wiedersehen warten müssen. 500 Kilometer durch die Provinz „La Pampa“, vorbei an tausenden Rinderherden auf immergrünen und am Horizont nicht enden wollenden Weiden, standen auf dem Programm und das Thermometer zeigte 35 Grad an. Gute Musik, Mate-Tee und die Vorfreude auf die wartenden Abenteuer ließen die Zeit verfliegen. An der Grenze zur Provinz Rio Negro legten wir dann einen Stopp zum Salat- und Empanada-Lunch in einem typischen Ruta-Restaurant ein, bevor wir den bedeutungsvollen Fluss Rio Colorado feierlich überquerten: Er ist das Tor nach Patagonien! Und die Region machte ihrem Namen auch gleich alle Ehre. War die Aussicht auf ein kühlendes Bad am Strand unseres heutigen Campingplatzes in Las Grutas die Hoffnung des ganzen Tages, wurde diese durch plötzlich aufkommende Wolken zumindest vage in Frage gestellt. Doch von ein paar Wolken ließen wir uns natürlich nicht aufhalten. Nach dem Check-In (wir waren diesmal nicht alleine, eine Familie war bereits da) packten wir direkt unsere Strandstühle und ab gings es … Hätten wir mal die Gezeiten vorher gecheckt, denn: Es herrschte Ebbe! Der Strand war zwar super, aber das Wasser mehrere hundert Meter weit draußen. Gleichzeitig zogen die Wolken immer bedrohlicher auf. Das Resultat: Nach wenigen Minuten saßen wir pitschnass in unseren Strandstühlen und froren im peitschenden Regen. Doch das Schauspiel war nur von kurzer Dauer, so dass wir danach unseren Rucksack packten und ab durchs feuchte Meer-Watt vorbei und über unzählige Krebse, Krabbentiere und sonstigem Gewimmel marschierten. Erst als wir am Wasser angekommen waren, wurde uns klar, dass das Gewitter noch nicht vorbei war, denn es legte eine zweite Runde ein. Jetzt hieß es schleunigst runter vom Strand. Barfuß rennt es sich über steinigen Meeresboden übrigens nur semi-angenehm. Letztlich wurden wir zwar ein zweites Mal komplett nass, blieben vom Blitzschlag aber verschont und wurden stattdessen von einem beeindruckenden Regenbogen belohnt. Diesmal duschten wir heiß und in vollen Zügen, bevor wir ins Dorf aufbrachen und uns einen leckeren Fisch in einem Strandrestaurant gönnten. Danach nächtigten wir ein zweites Mal in der Gaucha – diesmal mit gechillter Vorbereitung im Trockenen. Am nächsten Tag warteten weitere 300 Kilometer gen Süden bis nach Puerto Madryn, wo wir unsere Basis für einige Tage aufschlagen werden. Zunächst galt es jedoch, den nächsten Morgen am Strand zu verbringen – dieses Mal mit blauem Himmel, Sonne und Wasser bis vor die Haustüre. So lässt es sich Frühstücken und der Gaucha gefällt die frische Meeresbrise ebenfalls. Den Ruf, dass der Badeort Las Grutas angeblich das wärmste Wasser Argentiniens hat, konnten wir beim morgendlichen Bad nicht ganz nachvollziehen: es war arschkalt, aber eine angenehme Erfrischung und Stärkung vor dem anstehenden Reisetag nach Puerto Madryn. Nach drei Tagen Camping freuten wir uns auf unsere gemietete Hütte auf der Halbinsel Valdes, einem Naturreservat vor der Toren Puerto Madryns, auf der Guanacos (Lamas), Pinguine, Seelöwen und -elefanten und Wale auf uns warteten. Vamonos!
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